von Petra Voigt

Als Einstieg auf den Stadtteilrundgang folgt ein Interview mit Herrn Dr. Seidel und ein Beispiel, was ein Verein alles so leisten kann.

Ein Vorwort:
1928 plante die 1922 von Hans Kroch gegründete AG für Haus – und Grundbesitz wegen der akuten Wohnungsnot in Leipzig die Errichtung einer großen Wohnanlage im Stil des „NEUEN BAUENS“ oder auch Bauhausstil am nördlichen Rand der Stadt.

Hans Kroch entstammte einer angesehenen jüdischen Familie in Leipzig und war ein geschickt agierender Geschäftsmann und Bankier. Mit ihm verbindet man auch das „Kroch-Hochhaus“ am Augustusplatz mit seinem Glockenspiel, Industriepalast und das Königshaus.

Nach einem Architekturwettbewerb planten die Berliner Architekten Mewes und Emmerich eine Wohnanlage mit 1018 2 – 4 Raumwohnungen, die heute noch im Bestand sind.

Herr Dr. Seidel lebt mit seiner Frau seit über 60 Jahren in der Siedlung. Er hat diese Zeit engagiert verfolgt und insbesondere nach der Wende machte sich der Bürgerverein Krochsiedlung e.V. zur Aufgabe, die Restitutionsansprüche der Krocherben, die Sanierung durch den neuen Eigentümer zu unterstützen und mit diesem gemeinsam eine kleine „Schlacht“ gegen die Denkmalschutzbehörde zu schlagen.

Das Interview führte Petra Voigt (2.Vorsitzende Bürgerverein Gohlis)

Herr Dr. Siedel, zunächst herzlichen Dank, dass Sie die Führung durch die Siedlung übernehmen. Ohne Ihren Berichten und Erzählungen vorgreifen zu wollen, geben Sie uns doch eine kleine Über-sicht zur Geschichte der Krochsiedlung:
Herr Dr. Seidel: Die Gebäude wurden im Zeilenbau mit quergestellten Kopfbauten errichtet. Variantenreiche Gestaltung der Grundrisse, farbliche Gestaltung der Fassaden, unterschiedliche Hauseingänge, Loggien und Balkone zeichnen diese Bauten aus. In jeder Zeile befand sich ein mit Hecken umfasster Spielplatz mit Bänken für die Eltern, Teppichklopfstangen u.s.w.. Bereits damals gab es Heizung und Warmwasser, gesichert durch 7 Heizkeller. Ebenso 14 Waschküche mit damals moderner Technik nebst Trockenräumen. Zugleich wurde in der Max -Liebermann – Str. eine Ladenzeile errichtet, die heute noch gewerblich genutzt wird. Sieben Gärtner pflegten die parkähnlichen Anlagen zwischen den Zeilen mit ausgewähltem Baum – und Straucharten. Am 30.10.1930 wurde das Areal offiziell unter „Wohnstadt Gohlis – Nord“ eingeweiht. Schon bald erhielt die Wohnanlage von der Bevölkerung den Namen „Krochsiedlung“. Wenn wir am 07.05.2023 das Areal besichtigen, kann ich Ihnen Geschichte und Geschichtchen näherbringen.

Herr Dr. Seidel, vielleicht doch noch ein paar Ausführungen:
Herr Dr. Seidel: „Nun, anhand der Siedlung ist die wechselvolle Geschichte vom Dritten Reich, über die DDD bis zur Wende 1989 nachzuvollziehen. 1938 verschleppten die Nazis Hans Kroch in ein KZ. Nachdem die Familie auf den gesamten Besitz verzichtet hatte, kam er frei und emigrierte. Seine Frau wurde im KZ Ravensbrück ermordet. Ein Stolperstein, den meine Frau und ich gestiftet haben, vor dem Haus in der Sebastian-Bach-Str. 53 erinnert daran. Die DDR hat die Krochsiedlung 1951 in Volkseigentum überführt und völlig überraschend 1980 auf die Denkmalschutzliste der Stadt Leipzig aufgenommen. Dies hatte in der DDR keine weitreichenden Folgen. Diese überlies die Siedlung sich selbst und sie bot 1989/90 einen doch recht erbärmlichen Anblick. Nach der Rückübertragung der Siedlung an die Krocherben 1996 verkauften diese 1997 an den mittelständischen Bauunternehmer, Gaedeke, aus Mölln, der das Areal weiter liebevoll sanierte. Am Rande: Zuvor hatte bereits die LWG mit der Sanierung begonnen, jedoch nach Fertigstellung von 20 % gestoppt. Es dauerte 5 Jahre, bis die Sanierung weiterbetrieben wurde. Plötzlich war das Thema „Denkmalschutz“ auf dem Plan. Baustopps wurden verhängt. So, wegen der geplanten Anbringung von Wärmedämmung. Die Denkmalschutzbehörde Leipzig lehnte dies ab. Die Firma Gaedeke suchte sich Unterstützung unseres 1992 gegründeten Vereins. Gemeinsam, ich würde sagen, kämpferisch, haben wir erreicht, dass sich eine bewohnbare Siedlung auf aktuelle Herausforderungen einstellen musste. Es wird auch deutlich, dass Bauen, Denkmalschutz und Umweltschutz durchaus realisierbar sind. Dafür hatte sich der Bürgerverein Krochsiedlung eingesetzt und es geschafft.

Herr Dr. Seidel, vielen Dank für die kleine Vorschau. Wir sind gespannt auf den 07.05.2023.

Ein Nachwort: Der Bürgerverein Gohlis e.V. hatte 1999 eine Sonderausgabe „Krochsiedlung“ herausgegeben. Diese Ausgabe werden wir auf unserer Homepage bereitstellen und ggf. einige Exemplar am 07.05.2023 mitbringen.

Für Interessenten zum Thema Kroch in Leipzig verweisen wir auf das Buch: Kroch Der Name bleibt. Von den Autoren Hans-Otto Spithaler/Rolf H. Weber / Monika Zimmermann. Erschienen im Mitteldeutschen Verlag Halle (Saale)