von Wolfgang Leyn

Das Budde-Haus in Gohlis ist eines der drei soziokulturellen Zentren in Leipzigs Norden. Ohne den Bürgerverein Gohlis gäbe es dort heute wahrscheinlich Büros von Steuerberatern oder Rechtsanwälten wie in anderen Gohliser Villen.

Prunkvolle Fabrikanten-Villa

Das Haus, errichtet 1890/91 für den Gohliser Erfinder und Unternehmer Adolf Bleichert als „Villa Hilda“, hat eine wechselvolle Geschichte. Das prunkvolle Gebäude im Stile des späten Historismus war seinerzeit die teuerste Fabrikantenvilla in Leipzig. Ihr gegenüber auf der anderen Straßenseite lag Bleicherts Drahtseilbahnfabrik, damals eine Weltfirma. Ihre Erzeugnisse wurden bis nach Chile, Südafrika und Ozeanien exportiert. Doch 1927 bekam das Unternehmen finanzielle Probleme, und die Bleichert-Söhne mussten die Villa verkaufen.

Volkseigenes Betriebsklubhaus

Im 2. Weltkrieg wurde das Haus beschädigt, 1952 enteignet und kurz darauf zum Volkseigentum erklärt, mit der Stadt als Rechtsträger. Zunächst diente es als Internat für Bauingenieur-Studenten, dann als Heim für „schwer erziehbare Mädchen“. 1956-1990 beherbergte es das Betriebsklubhaus „Heinrich Budde“ des VEB Verlade- und Transportanlagen (vormals Bleichert), benannt nach einem von den Nazis hingerichteten Ingenieur der Bleichert-Werke. 1990 klagten die Erben des enteigneten Villen-Besitzers erfolgreich auf Rückgabe.

„Rettet das Budde-Haus!“

Der 1992 gegründete Bürgerverein Gohlis e. V. sammelte daraufhin Unterschriften unter seinen Aufruf „Rettet das Budde-Haus – Herrensitz oder Kultur für Gohliser?“ und brachte damit die Stadt in Zugzwang. Die kaufte 1993 die sanierungsbedürftige Immobilie zurück und richtete darin ein soziokulturelles Zentrum ein, betrieben durch den Förderverein Heinrich-Budde-Haus. In den Folgejahren setzte der Bürgerverein die Sanierung von Fassade und Balkon durch. 2001-2004 wurde das verfallene Gartenhaus wiederaufgebaut. Rund Million Euro wurden dafür aus Förder- und Eigenmitteln aufgebracht – und aus Spenden, darunter vom Bürgerverein, der seit 1993 sein Büro im Haus hatte.

Auszug und Rückkehr

Doch die Zusammenarbeit mit dem Förderverein gestaltete sich immer schwieriger. 2014 musste dieser Konkurs anmelden, und das städtische Kulturamt übernahm die Verwaltung des Hauses. Schon 2013 war der Bürgerverein Gohlis ausgezogen und nahm Quartier in einem Ladenlokal in der Lindenthaler Straße. Das war günstig gelegen, geräumig, komfortabel und barrierefrei, aber letztlich doch zu teuer. Daher jetzt die Rückkehr ins (neubelebte) Budde-Haus.

Neustart mit FAIRbund

Seit 2017 betreibt der Verein FAIRbund e. V. das soziokulturelle Zentrum Budde-Haus. Bestehendes wie die Kreativitätswerkstatt im Gartenhaus oder den Skulpturengarten hat er weitergeführt, eine Menge Neues kam hinzu. Der beliebte Biergarten unter dem Ginkgo-Baum, seit Anfang 2019 in Eigenregie des Hauses, wird zurzeit umgestaltet und soll Anfang Juni wieder Gäste empfangen können.

Sanierung steht aus

Noch immer beeinträchtigen Kriegsschäden und spätere unsachgemäße Umbauten die Funktionalität des Gebäudes. Die Elektroanlage muss dringend erneuert werden, Brandschutzauflagen schränken die Nutzung mehrerer Räume ein, der Zugang ist nicht behindertengerecht. Nun stellt die Stadt, wie schon 2016 vom Bürgerverein Gohlis gefordert, endlich Planungsmittel zur Verfügung, um den genauen Sanierungsbedarf zu ermitteln.

Vielleicht könnte man ja aus der Not eine Tugend machen und beim Wiederaufbau der im Krieg zerstörten vorderen Ecke des Gebäudes dort einen Fahrstuhl integrieren, damit die Räume des Budde-Hauses künftig barrierefrei zu erreichen wären. Bis dieser Traum (vielleicht) in Erfüllung geht, müssen Sie leider noch Treppen steigen, um zum Büro des Bürgervereins im 1. Stock zu gelangen.