von Matthias Reichmuth

Einige Birken an der Straßenecke, Gebüsch neben dem Schuhgeschäft und etwas Wiese – so sieht die Gothaer Straße 42 (Ecke Lindenthaler Straße) heute aus. Städtebaulich gesehen eine Baulücke, direkt an der Straßenbahnhaltestelle bestens angebunden. Dass sie nun bald bebaut werden soll, überrascht nicht. Allerdings gehört das Grundstück der Stadt Leipzig, und die Stadt ist inzwischen dazu übergegangen, Grund und Boden nicht mehr einfach meistbietend zu verkaufen, sondern ein Erbbaurecht für das beste Konzept zu vergeben. Wie für fünf andere Leipziger Grundstücke auch, wurde für das Grundstück daher ein „Konzeptverfahren zur Bestellung eines Erbbaurechts für kooperatives und bezahlbares Bauen und Wohnen“ vergeben. Beworben hatten sich zwei Baugruppen als potenzielle Bauherren, die mit einem Punktesystem bewertet wurden. Einige Punkte wurden nach einem festen Verfahren berechnet (z. B. der Anteil an barrierefreiem Wohnraum). Andere Punkte wurden von einer Jury bewertet, und in dieser Jury habe ich den Bürgerverein Gohlis vertreten. Am Ende gewann das Konzept, das auch aus Sicht des Bürgervereins stärker überzeugte. Hinter dem Konzept steht eine Gruppe von jüngeren Erwachsenen namens „WEforever“, die vor rund 15 Jahren gemeinsam in Weimar wohnten und studierten, derzeit von Berlin bis München in Deutschland verstreut sind und zukünftig wieder zusammen leben möchten. Dafür haben sie Leipzig als besten Standort ausgewählt und in Leipzig die Wolfener Straße 42. Die Gruppe umfasst mehrere Architekten und Künstler, aber auch jemanden, der ein Café betreiben möchte – direkt an der Straßenecke im Erdgeschoss, gut erreichbar für die Gohliser Nachbarschaft.

Das Konzept hat einige Besonderheiten. Zum einen schafft es Clusterwohnungen, also Kombinationen aus individuellen Kleinstwohnungen und gemeinsam genutzten Wohnflächen. Zum anderen plant die Gruppe nicht nur für sich selbst (16 Erwachsene und 5 Kinder), sondern auch mehrere Wohnungen im Bereich des geförderten sozialen Wohnungsbaus in allen Wohngeschossen. Im Erdgeschoss sollen außer dem Café noch ein Atelier, eine Fahrradwerkstatt und vier Pkw-Stellplätze entstehen, darunter zwei Stellplätze für Car-Sharing. Die anderen beiden müssen nachgewiesen werden, damit z. B. Besucher des Cafés auch einmal mit dem Auto kommen können. Unter den 21 Mitgliedern der Baugruppe hat aktuell niemand ein Auto, es entsteht also kein Parkdruck im Umfeld, die Baugruppenmitglieder investieren ihr Geld lieber ins Gebäude – und in einen Dachgarten. Zu ebener Erde wäre der nicht überbaute Teil des Grundstücks zu klein und schattig für einen schönen Garten geworden. Der Dachgarten ist auch nur ein Teil des Gedankens, umweltfreundlich zu bauen, ökologische Baumaterialien waren der Gruppe ebenso wichtig wie die Standortwahl, die es erlaubt, in weniger als 10 Minuten den Leipziger Hauptbahnhof mit dem Fahrrad oder der Straßenbahn zu erreichen.

Nachdem die Sieger (sowohl hier als auch für fünf Grundstücke außerhalb von Gohlis) klar sind, werden als nächstes die Konzepte konkretisiert und Fördermittel beantragt. Anfang 2022 soll ein Vertrag mit der Stadt geschlossen und vom Grundstücksverkehrsausschuss des Stadtrats bestätigt werden. Anschließend folgen die Baugenehmigung, die Ausführungsplanung und das Bauen. Drei Jahre nach Vertragsschluss, also bis Frühjahr 2025 müssen die Gebäude dann errichtet sein.