Von Birgit Heise

Das Jahr der Industriekultur nimmt nun doch noch Fahrt auf und setzt Schlaglichter auf ehemalige Zentren der sächsischen Produktion. Gohlis stand von 1880 bis 1930 im Brennpunkt der Musikszene: Hier wurde die erste runde Musik-Platte der Geschichte erfunden und in riesiger Stückzahl gebaut. Lochplatten sind noch keine Schallplatten, sondern sie helfen beim Spielen realer Musikinstrumente. Ohne Notenkenntnisse, nur durch Kurbeln, kann man ein Akkordeon, eine Spieluhr oder ein Klavier hören. Direkt im ehemaligen Symphonion-Werk, heute die Musikschule Neue Musik in der Eisenacher Straße 72, trafen sich Experten aus ganz Europa und tauschten ihre Gedanken aus. Warum gerade Gohlis (?), könnte man sich fragen. Das damals günstige Bauland, die Transportwege, die Messe und das nahe gelegene Leipzig mit Unmengen an Musikern, Händlern und Verlagen: Standortvorteile gab es zuhauf. Doch letztlich lag es auch an dem Zufall, dass der Klavierbauer Paul Ehrlich eben in Gohlis lebte und 1882 seine gelochte runde Platte erfand. Damit gründete er einen ganzen Industriezweig, mit Werken in der Möckernschen, Eisenacher, Georg-Schumann- oder Natonekstraße. Bei schönstem Wetter nahmen viele Interessenten am Rundgang durch Gohlis teil. Eine kleine Platten-Drehorgel Ariston begleitete die Gruppe und wurde jedesmal gedreht, wenn man eine historische Stätte passierte. So kam es zu kuriosen Erlebnissen, wenn ein direkter Nachfahre von Paul Ehrlich vor dessen Produktionsstätte das Gohliser Ariston drehte. Da ging so manches Fenster auf, traf man überall auf erstaunte und lachende Gesichter. Der Spaziergang endete an dem schmiedeeisernen Tor hinter der Sparkasse Gohliser Straße, mit Schriftzug „E.G.Lochmann“. Paul Lochmann und sein Bruder Ernst Georg leiteten die Symphonion-Werke in Gohlis.

Auch im Kulturhof Eisenacher Straße 72 fand sich zahlreiches Publikum ein. Hier stellte Jost Mucheyer aus Elstertrebnitz eine Kollektion Leipziger Musikautomaten klingend vor. Er betreibt in Elstertrebnitz ein neues Museum: es beherbergt die weithin größte Sammlung Leipziger Musikwerke. Jeden Sonntagnachmittag führt er klingend seine schönsten Stücke vor; ein Besuch lohnt unbedingt!

Übrigens wäre die ganze Aktion ohne tatkräftige Mithilfe des Bürgervereins Gohlis nicht möglich gewesen. Und auch nicht ohne das unkomplizierte und freundliche Entgegenkommen von Herrn Plättner, dem Leiter der Musikschule Neue Musik. Wer sein Kind dorthin zum Musikunterricht bringt, sollte einmal im Werkscafé darauf achten, mit wie viel Sorgfalt restauriert und wie manches Element der ehemaligen Produktionsstätte erhalten wurde.