Von Ursula Hein

Am Freitag kam das Jahrbuch 2019 des Leipziger Geschichtsvereins und ich habe mich gleich festgelesen. Die renommierte Leipziger Historikerin und verdienstvolle Herausgeberin der vierbändigen Erinnerungen Johann Christian Müller „Meines Lebens Vorfälle und Neben-Umstände“ aus dem 18. Jh., Katrin Löffler, hat sich jetzt eines Leipzigers angenommen und lässt uns mit der kommentierten Herausgabe zweier Briefe an Bernd-Lutz Lange teilhaben am Schicksal des aus assimilierter jüdischer Familie stammenden Alfred Glaser. Als einziger seiner Familie hat er die Judenverfolgung überlebt. Trotz aller negativen Erfahrung spricht er – immer noch heimwehkrank – von seinem Leben in Leipzig, von seinen (christlichen) Freunden, von Schwester und Schwager in der Landsbergerstraße in Gohlis. Die Briefe berühren durch ihre Unmittelbarkeit und durch die Verzweiflung, die ihn 1987 beim Abfassen immer wieder übermannt und es ihm unmöglich macht weiterzuschreiben. Erst nach viel Valium und mehrtägiger Pause, aufgemuntert durch den „Gaffee und ein Stückchen Kuchen zum „Ditschen“ schafft er es, die Briefe zu Ende zu schreiben. Es ist ihm noch vergönnt, sein Leipzsch seit 1987 bis zu seinem Tod im Jahre 1995 mehrmals zu besuchen.

Katrin Löffler zeigt uns auf fünfzig Seiten kenntnisreich und einfühlsam einen Urleipziger, der aufgrund einer menschenverachtenden Ideologie seine Stadt verlassen musste und sie als einziger Überlebender seiner Familie wieder besuchen konnten. Dieser Beitrag mit seinen Briefen sollte allen denen zu denken geben, die meinen, man könne und sollte das tausendjährige Reich einfach aus dem Gedächtnis streichen. Die Neurechten wird man leider mit solchen Veröffentlichungen nicht erreichen, aber man muss gegen sie kämpfen.