von Ursula Hein

Zu einem Dorf gehören nach unseren Vorstellungen die Kirche mit Pfarrer und Küster und die Schule mit dem Lehrer. In einem Städtchen oder Stadtteil kommen dann der Arzt und der Apotheker und Geschäftsleute hinzu, die sich dann bei bestimmten Gelegenheiten treffen, zum Beispiel am Stammtisch, wenn auch meist ohne den Pfarrer.

In Gohlis war das ein wenig anders. Zunächst bestand das Dörfchen aus nur kleinen Bauernhöfen, die jeweils unterschiedlichen meist adligen Gerichtsherren unterstellt waren. Eine Schule existierte nicht, die christliche Gemeinde war ebenso wie die von Möckern der Pfarrei Eutritzsch zugeordnet und die Kinder dieser Dörfer mussten dort die Schule besuchen. Der Schulbesuch war nicht wirklich geregelt, in Kriegszeiten fiel er völlig aus, ebenso, wenn die Kinder zur Arbeit auf dem Bauernhof gebraucht wurden.

Wahrscheinlich gab es in Gohlis eine sogenannte Winkel- oder Klippschule, deren Besuch durch Geld oder Naturalien abgegolten wurde. Mehr als ein wenig Lesen, Schreiben, Rechnen und Beten lernten die Kinder nicht. Endlich wurde im Jahr 1685 eine eigene Dorfschule auf dem Anger erbaut und die Kinder durch Theologiestudenten, die sgn. Kinderlehrer, betreut. 1786 sollen in Gohlis etwa 60 Kinder unterrichtet worden sein. Eine Liste der Lehrer in Gohlis mit einigen weiteren Informationen hat uns Willy Ebert überliefert dem wir das erste umfassende und Quellen gestützt Geschichtsbuch über Gohlis verdanken . (2)

Dann wurde im 18. Jahrhundert in Gohlis ein Schlösschen erbaut, aber nicht von einem der adligen Ortsherren, sondern von dem bürgerlichen Kaufmann Johann Caspar Richter, dessen zweiter Nachfolger Johann Gottlob Böhme nach 1774 auch dafür sorgt, dass das Schulgebäude auf dem Anger aufgestockt, die Lehrerwohnung verbessert und eine kleine Bibliothek angeschafft wurde. Zudem erhielten die Gohliser einen Betsaal über der Schulstube im ausgebauten Bodenraum. 1818 wurde das Gebäude wieder umgebaut und vergrößert, 1826 durch den einzigen Lehrer ein Garten für den Privatbedarf angelegt. Weitere Umbauten erfolgten 1830 und 1849.

1861 war die Schule zu klein geworden, in ihre Räume zog die Kinderbewahranstalt/Theresienstift ein. (3) Ab 1861 bis zum Bau der späteren Friedenskirche 1871-73 wurde der Betsaal auch weiter genutzt. 1887 wurde das alte Gebäude abgerissen und der Anker zu einer öffentlichen freien Anlage umgestaltet.

Erst 1805 wurde in Sachsen der Schulzwang für alle Kinder zwischen dem 6.und dem 14. Lebensjahr angeordnet, seine Befolgung aber nicht unbedingt streng kontrolliert. Im November 1819 erhielt dann die Gohliser Volksschule einen engagierten Lehrer, Johann Gottlieb Fleischer (1799–1883), der bis 1848 die Schule alleine betreute.

1851 erhielt er einen Mitstreiter, ab 1861 gab es dann zwei, schließlich seit 1865 drei weitere Lehrer. Für seine Verdienste erhielt Lehrer Fleischer dann den Titel Oberlehrer und war damit für das gesamte Gohliser Schulwesen zuständig. Nach seinem goldenen Ortsjubiläum mit Fackelzug und Kommers im Neuen Gasthof am 12. November 1869 konnte er ein Jahr später in den wohlverdienten Ruhestand treten. 1883 starb er im hohen Alter von 84 Jahren. Willy Ebert hat ihm 1926 in seinem Gohlisbuch ein ganzes Kapitel gewidmet. Hier können wir auch ein Foto des Oberlehrers sehen. Er wirkt darauf sehr energisch und wohl auch recht streng. Aber vielleicht ist das auch nur der Photographie der Zeit geschuldet. W. Ebert konnte 1926 noch mit Schülerinnen und Schülern des Oberlehrers von Gohlis sprechen und diese Informationen für sein Schulkapitel verwenden.

1786 gab es in Gohlis ja etwa 60 Schulkinder. Mit den steigenden Einwohnerzahlen in Gohlis stieg natürlich auch die Anzahl schulpflichtiger Kinder. 1830 waren es schon 130. (4) Bis 1860 stieg die Anzahl der Bewohner auf ca. 2.000. Die Schule auf dem Anger wurde zu klein und man errichtete an der Ostseite des Lindenplatzes, des heutigen Kirchplatzes, ein neues Schulgebäude, das am 19. April 1861 eingeweiht wurde. Da die Einwohnerschaft von Gohlis weiterhin stetig wuchs, war 1873 war auch dieses Gebäude hinter der Kirche zu klein geworden. Ein neues Schulgebäude wurde an der Hallischen Chaussee(heute Georg-Schumann-Ecke Sasstraße) erbaut und hieß dann zunächst 1. später 4. Bürgerschule, zuletzt 37. Volksschule.

Das Gebäude hinter der Kirche wurde nach dem Umzug der Schule nacheinander Pfarre, Gemeinde- und Polizeiverwaltung, Standesamt und Sparkasse genutzt und dann von der Post angemietet. Sein Ende fand es 1943 beim Luftangriff. Es wurde völlig zerstört. Heute befindet sich an dieser Stelle der Garten der Kirchengemeinde.
An die erste Volksschule in Gohlis erinnern nur noch Anger in der Menckestraße und dieser Garten. Ein Hinweisschild auf diese wichtige Bildungseinrichtung sucht man vergebens.

(1) Ebert, Willy, Gohlis. Die Schule und der Schulmeister Aus der Geschichte eines Leipziger Vorortes. Leipzig 1926 Kap. V. S. 34- 43
(2) Ebert a.a. O. S. 37 Die Lehrer der Schule auf dem Anger: 1676 Christian Drechsler; 1684 Christian Schönich stud.theol.;1685 Christian Systenius stud.theol.; 1687 Elias Dreßler aus Neustadt bei Koburg (vorher Kurland); 1699 Christian Wenzel aus Altenburg; 1713 Joh. Gottlieb Hauptmann; 1717 Joh. Martin Langhammer; 1743-17 Haupter; 1751-1761 Haun; 1761-1764 Schulze, Dauer, Böhr; 1786 Johann Karl Jülich, dessen ältestes Kind 1786 im hiesigen Schulhaue geboren und 1871 als Pfarrer emer. zu Haina gestorben ist; 1789 Joh. Daniel Klingler; 1794 Joh. Andreas Gottlob Neumann, Kinderlehrer aus Wehlitz; 1806 Joh. Gottlob Henker; 1814-1819 Joh. Gottlieb Siegismund; 1819-1870 Joh. Gottlieb Fleischer
(3) Guhr, Elisabeth, Das vereinigte Theresia- und Elsbethstift. In 700 Jahre Gohlis a.a.O. S.205-207
(4) 1835: 1 Lehrer 219 Schüler
1874: 15 Lehrer 846 Schüler
1890: 54 Lehrer 2849 Schüler
1900: 131 Lehrer 5362 Schüler