von Irmgard Grunder und Gerd Klenk

Die Gründung des Bürgervereins im Jahre 1992

Kurz nach der Wende schossen in fast allen Stadtteilen von Leipzig Bürgervereine aus dem Boden. Die Bürger wollten sich beim Aufbau einer neuen Ordnung einbringen.
Den Anstoß zur Gründung des BV Gohlis gab Frau Dr. Heide Steer,die damals im Kulturamt für die Stadtteilkultur zuständig war. Sie hatte erfahren, dass Gohlis im Jahre 1992 vor 675 Jahren erstmals erwähnt worden war. Ihre Überlegung war, dieses festlich zu begehende Ortsteil-Jubiläum auf möglichst breite Schultern zu stellen, also einen Bürgerverein ins Leben zu rufen. Im November 1991 fand dann im Gemeinderaum der Friedenskirche eine überzeugend gut besuchte Gründungsveranstaltung statt.

Als alteingesessene Gohliser wollten wir die Interessen der Bürgerinnen und Bürger im Stadtteil vertreten.

Das Stadtteiljubiläum wurde auf der Menckestraße unter Einbeziehung des Gohliser Schlösschens großartig gefeiert und ist uns und allen Beteiligten sicher unvergesslich geblieben. Dies war der Beginn des Engagements des Bürgervereins für die Entwicklung des Ortsteiles Gohlis.

Der erste Vorsitzende des Bürgervereins wurde bis 1996 Pfarrer Gerhard Passold, dann übernahm Dr. Dieter Götze bis 1998, danach bis 2014 Gerd Klenk. Alle drei waren auch Gründungsmitglieder und langjährig Vorstandsmitglieder.

Die Erwartungen nach der Gründung waren hoch und sollten in den folgenden Jahren einer gewissen Ernüchterung weichen, was auch den anfänglichen starken Kampfgeist etwas abklingen ließ.
Es wurden Arbeitsgruppen gebildet, wie „Stadtteilentwicklung“, „Ordnung, Umwelt und Verkehr“, „Stadtteilgeschichte“, „Kultur“ und „Soziales“ und wir beantragten dafür sogenannte ABM’s (Arbeitsbeschaffungsmaßnahme), das heißt Stellen, die in den letzten Jahren als sogenannte AGH – E (Arbeitsgelegenheit mit Entgeldvariante) noch vorhanden waren und über das Arbeitsamt und die Nachfolgeeinrichtungen ARGE bzw. bis 2014 über das Jobcenter Leipzig gefördert wurden. Ohne diese Stellen wären unsere vielen Aktivitäten in den Arbeitsgruppen mit den unterschiedlichen Projekten, die Bürgersprechstunden sowie die Büroarbeit nicht leistbar gewesen.

Daher gilt unser Dank allen 22 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die es gewiss nicht leicht war, aus der Arbeitslosigkeit kommend und in völlig anderen Berufen zu Hause, Gefallen an Vereinsarbeit zu finden. Hervorheben möchten wir den bis 2014 ehrenamtlich Tätigen

Reinhard Wohlfahrt, insbesondere durch die Unterstützung bei Satz und Layout des GohlisForum und bis 2012 Walter Vallentin, sowie unsere langjährig geförderte, sehr aktive und beliebte Mitarbeiterin Petra Cramer.
Zu Beginn gab es eine große aktive Beteiligung aller Mitglieder. Zur Gründung waren wir 39 Mitglieder, im Laufe der Zeit stieg die Zahl auf 80 Mitglieder. 2011 allerdings waren es nur noch 45 Mitglieder und die Zahl der dabei ehrenamtlich Aktiven war auch beachtlich gesunken.

Die vielfältigen Aktivitäten des Bürgervereins

Als Interessenvertretung der Bürgerinnen und Bürger des Stadtteils Gohlis blicken wir nicht ohne Stolz auf eine Erfolgsgeschichte zurück.
Da wären als erstes die Erhaltung des Heinrich-Budde-Hauses als soziokulturelles Zentrum und später durch Aufnahme in das festgeschriebene Sanierungskonzept die Renovierung des Hauses, der Ausbau des Gartenhauses und die Gestaltung des Gartens.

Im August 1994 erarbeitete der Bürgerverein eine sogenannte „Erhaltungs- und Gestaltungssatzung des alten Ortskernes Gohlis“ unter der Federführung von Dr. Dieter Götze. Dazu fand im August 1995 ein Bürgerforum statt. Leider wurde die Satzung vom damals zuständigen Dezernenten nicht unterstützt. Vielleicht hätte manche Bausünde der späteren Jahre im alten Ortskern damit verhindert werden können.
Ab September 1999 erschien bis zu 6 x im Jahr das Info- Blatt des Bürgervereins „Gohlis Forum“, mit Beiträgen über Sanierungsvorhaben, neue Verkehrslösungen, das Geschäftsleben, kulturelle Veranstaltungen und zur Geschichte von Gohlis, das sich bis heute großer Beliebtheit erfreut.

Unter großer Beteiligung der Mitglieder wurden Listen über alle denkmalsgeschützten Häuser im Stadtteil Gohlis mit Veröffentlichung im „Gohlis-Forum“ erarbeitet, Aushänge der betroffenen Häuser angefertigt, verteilt und von uns auch teilweise dort ausgehangen.

Viel Kraft investierten die Mitglieder des Arbeitskreises Stadtteilgeschichte unter der Leitung von Dr. Manfred Hötzel in die Herausgabe der „Gohliser Historische Hefte“ Nr.1 bis 12. An dieser Stelle möchten wir ihm besonderen Dank sagen. Seine Vorträge und Führungen zum Tag des offenen Denkmals zogen viele Besucher an. Er machte sich weiterhin um die Aufarbeitung der Gohliser Geschichte mit Beiträgen im Gohlis-Forum und bei den Bleichert Ausstellungen in Leipzig, Dresden und Chemnitz verdient. Nicht vergessen möchten wir die jährliche Herausgabe des Gohlis- Kalenders unter seiner Regie.

Des Weiteren fanden viele Bürgerforen statt, wie zur Trassenführung der Straßenbahnlinie 6 (heute Linie 4), zum Umbau der Georg-Schumann-Straße zwischen Lützow- und Breitenfelder Straße, zu Ordnung und Sicherheit in Gohlis. Es wurden Workshops in Zusammenarbeit mit dem ASW zur Straßenraumgestaltung in den Gohliser Sanierungsgebieten, zum fortgeschriebenen und konkretisierten Sanierungskonzept Gohlis und Bürgerforen zur Verkehrssituation u. a. im Bereich der Kreuzung Stallbaum-/ Platnerstraße und Eingang Waldstraße durchgeführt. Alle Bürgerforen machten die direkte Einflussnahme von beteiligten Bürgern auf Entscheidungen im Stadtteil möglich und hatten daher auch eine große Resonanz.

Wir setzten uns für die Radverkehrsverbindung „Gohliser Bahnbogen“ als nördliche Ergänzungsvariante zur Georg-Schumann Straße ein, für die es auch einen Stadtratsbeschluss gab und die noch perspektivisch bis zum Hauptbahnhof bzw. bis zum Huygensplatz geführt werden soll, aber leider bis heute nur in Teilen realisiert wurde. Wir arbeiteten seit 2011 im Magistralenbeirat „Revitalsierung der Georg-SchumannStraße“ mit vielen lokalen Akteuren und der aktiven Bürgerschaft mit. Schon vorher gab es eine die gute Zusammenarbeit mit dem BV Möckern-Wahren in der AG „Schumi“. Ebenso wirkten wir im Projekt „Mach‘s Leiser“ vom Ökolöwen bei der Lärmaktionsplanung in Leipzig Nord im Projektbeirat und an Workshops mit Bürgerbeteiligung mit anderen Bürgervereinen, Vertretern von Stadt, LVB, LWB und der Deutschen Bahn mit.

Nicht unerwähnt lassen wollen wir die vielen kulturellen Aktivitäten, wie die Stadtteil- und Sommerfeste – an verschiedenen Orten und im Heinrich-Bude-Haus – gemeinsam mit dem Förderverein des Hauses, sowie die anfänglichen Gohliser Musiktage und Weihnachtskonzerte. Stolz sind wir auf die soziale Arbeit des Vereins, wo wir insbesondere die sozial schwachen älteren Menschen im Blick behalten haben. Diese generationsübergreifende Stadteilarbeit mit Senioren beinhaltete neben der aktiven Unterstützung dieser Bürgerinnen und Bürger gegen Vereinsamung und Isolation das traditionelle Frühstück bis 2012 im Heinrich-Budde-Haus, dann im neuen Büro in der Lindenthaler Straße und den thematischen Kaffeeklatsch.

Wir haben immer eine gute Zusammenarbeit mit dem BV Eutritzsch, den durch unsere Initiative gegründeten Förderverein Heinrich-Budde-Haus, der 2014 leider in Konkurs ging, sowie auch dem BV Krochsiedlung, der auch leider bereits aufgelöst wurde, dem FV Versöhnungskirche und dem Verein Pro Gohlis gepflegt und sind dafür auch heute noch sehr dankbar.

Erfahrungen mit Demokratie und Bürgerbeteiligung

In den langen Jahren unserer aktiven Mitarbeit sind wir um einige Erfahrungen reicher geworden, die wir nicht verschweigen wollen. Die Bürgervereine hatten bereits in den 90-iger Jahren Zusammenkünfte organisiert. Aus den über 30 Bürgervereinen bildete sich ein Sprecherrat, der gegenüber Stadt und Verwaltung der Ansprechpartner aller Bürgervereine sein sollte, sich aber nicht als Dachverband verstand. Es wurden thematische Treffen mit allen Bürgervereinen, der Stadtverwaltung und der Politik organisiert und durchgeführt. Ein großer Erfolg war die erreichte institutionelle Förderung aller Bürgervereine durch die Stadt, die zumindest die Büromiete und Bürokosten für alle bis heute ermöglicht. Anfang 2000 bildete sich daraus der Arbeitskreis „Lokale

Demokratiebilanz“ mit dem Ziel, die Bürgerbeteiligung mit klaren Maßnahmen in der Stadt umzusetzen. Leider endete diese Arbeitskreis nach wenige Jahren, als der Sprecherrat spürte, dass er mehr als Alibi für gelebte Bürgerbeteiligung benutzt wurde, als dass es zur zeitnahen Umsetzung der erarbeiten Vorschläge und Maßnahmen kam.

Die entstandene große Lücke konnte durch den gegründeten Bund Leipziger Bürger- und Heimatvereine „Leipzig Kollektiv“ nicht wieder vollständig gefüllt werden. Auch war erheblich Vertrauen verspielt worden. Wir beteiligen uns dort mit anderen Bürger- und Heimatvereinen, insbesondere, als es um die neuen Regelungen des „2. Arbeitsmarktes“ ging, die nicht nur unsere projektbezogene Vereinsarbeit und Zukunft gefährdete, sondern viele Vereine in dieser Stadt zwangen, ihre Projekte drastisch zurückzufahren bzw. in Teilen aufzugeben. Ein Offener Brief wurde dazu bereits an die Bundesministerin für Arbeit und Soziales und andere Verantwortliche in Bund, Land und Stadt versandt. Es fand auch ein Forum mit vielen Vertretern von städtischen Vereinen sowie Politikern von Bund, Land und Stadt statt, das versuchen sollte, neue Wege für die weitere Finanzierung gemeinwesenorientierter Arbeitsstellen zu erarbeiten. Alle diese Wege führten leider nicht zum Erfolg. In einer neu gegründeten Initiative „Denkwerkstatt Gemeinwohlarbeit Leipzig“ ist der Bürgerverein Gohlis durch Hansgeorg Herold vertreten, um sich auch in Zukunft für die bessere Anerkennung und Gleichberechtigung der Gemeinwohlarbeit auf dem Arbeitsmarkt einzusetzen.

Drohende Auflösung und Neubeginn des Bürgervereins Gohlis

Anfang 2013 zog der Bürgerverein, unterstützt durch eine Spende der Fa. Seniosana, in ein größeres Büro in der Lindenthaler Straße. Das Büro im Heinrich-Budde-Haus wurde vorrangig von Dr. Manfred Hötzel und seiner AG genutzt, die gemeinsam mit dem FV Heinrich-Budde-Haus an den Vorbereitungen der Ausstellung zum 140 jährigen Jubiläum der Adolf Bleichert Werke 2014 im Technischen Museum in Chemnitz arbeiteten Die ausgelaufene Förderung unserer Mitarbeiterin Petra Cramer traf dann 2014 den Bürgerverein Gohlis sehr hart. Die Hoffnungen, die wir mit dem Umzug unseres Büros in den Standort Lindenthaler Straße 34 hegten, indem mehr Menschen für die Arbeit des Bürgervereins interessiert würden und dies den Bürgerverein auch finanziell stärken und damit die Finanzierung einer Arbeitsstelle möglich würde, haben sich nicht erfüllt.

Da sich 2014 kein wählbarer Vorstand inklusive eines neuen Vorsitzenden mehr fand und auch die finanziellen Mittel dem Ende entgegen gingen, beschlossen wir die Auflösung unseres Vereins. Es ist für uns umso erstaunlicher und auch sehr erfreulich, dass sich eine junge Truppe fand, die die Wiederbelebung des Vereins in die Hände nahm und dies bis heute mit wachsendem Erfolg gemeistert hat. Uns, dem alten Vorstand, war es nicht gelungen, neue aktive Mitglieder zu werben, die Verantwortung übernehmen wollten. Auch war die Bürgerbeteiligung, was die Gesamtinteressen des Stadtteiles betrifft, rückläufig. Teilweise sind die Ursachen darin begründet, dass sich Gohlis heute zu einem gut entwickelten, weitgehend sanierten, beliebten Stadtteil gemausert hat, zumal selbst die ausgedienten Kasernengebäude Stück für Stück verschwinden und ein neues attraktives Wohnviertel entsteht.

In den letzten Jahren tendierte die ehrenamtliche Arbeit der Bürger zu Initiativen, die sich nur mit einer speziellen Sache oder einem kleineren Problem im Stadtteil beschäftigten und die wir durch unsere Zusammenarbeit, so gut es uns möglich war, unterstützten. So entstanden die Initiative „Gegen Schall und Rauch“, die sich für die Verkehrsberuhigung um die Berggarten-/ Möckernsche-/ Kirschbergstraße einsetzte, und der Verein „Stadthäuser Gohlis“, der bereits 2013 wieder aufgelöst wurde. Es gründete sich die Initiative „Starke Nachbarschaften durch aktive Bürgerbeteiligung “ der Kirchenbezirkssozialarbeit der
Diakonie Leipzig, die gemeinsam mit den Kirchgemeinden im Norden, dem Anker, dem BV Möckern-Wahren und uns mit dem aus den USA stammenden Konzept des Community Organizing neue Wege der Bürgerbeteiligung umsetzen möchte.

Die Wiedersichtbarmachung des Zooschaufensters im Rosenthal ist eine Aktion, die leider nur zeitweilig realisiert wurde, da sie immer wieder vom Zoo untergraben wird. Weiterhin entstand in Trägerschaft des Bürgervereins die Initiative „Dialoge für Gohlis“, die sich für die Akzeptanz des Moschee-Neubaus der Ahmadiyya Gemeinde in der Adolf-Bleichert-Straße einsetzt, zusammen mit vielen Akteuren aus Politik, Vereinen, Privatpersonen und Vertretern kirchlicher Gemeinden im Leipziger Norden, sowie daraus dann später die Initiative „Weltoffenes Gohlis“ die sich für die Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in der Max-Liebermann-Straße einsetzt.

Gute Wünsche für die Zukunft

Die Zukunft des Bürgervereins sehen wir in der gezielter Projektarbeit, in der Fortführung des sozialen Engagements, in der Unterstützung und Zusammenarbeit von Stadtteilinitiativen, die eine Bürgeridee aufgreifen, in der weiteren Bürgervertretung und Unterstützung von Bürgerbeteiligung für die Stadtteilentwicklung in bewährter Zusammenarbeit mit städtischen Ämtern und verstärkt auch mit Politikern, im Abstellen und Beseitigen von Missständen, der Verbesserung der Lebensbedingungen sowie der Stärkung der lokalen Wirtschaft im Stadtteil. Die Einbeziehung und Zusammenarbeit mit Geschäftsleuten, Gewerbetreibenden und Selbständigen ist in Zukunft verstärkt sinnvoll und nötig.

Unser Dank gilt abschließend allen, die sich bisher für den Bürgerverein engagiert, ihn unterstützt oder gefördert oder für ihn gespendet haben, ob als Mitglied, Mitarbeiter, Ehrenamtlicher oder in einer Arbeitsgruppe, ob nun als Vertreter eines Vereines, einer Initiative, eines Amtes oder als Unternehmer, Geschäftsmann, Politiker, Vertreter einer Einrichtung und natürlich als Bürgerin und Bürger.
Wir bitten Sie um Ihre weitere Mitarbeit oder Unterstützung. Bringen Sie sich für Ihren Stadtteil ein, zu Ihrem eigenen Nutzen und um Ihren Stadtteil attraktiv und lebenswert zu gestalten und erhalten.