von Ursula Hein

Nachdem Robert Blum 1841 das echte Schillerhäuschen entdeckt hatte, gründete er mit Gleichgesinnten den Leipziger Schillerverein und bei den großen Schillerfeiern, so auch 1859, wurden Spaziergänge von Leipzig nach Gohlis zelebriert. Robert Blum konnte aber an diesem Spaziergang nicht mehr teilnehmen, denn1848 hatte man ihn, den Abgeordneten der Paulskirche und Barrikadenkämpfer in Wien, wider alles Völkerrecht auf der Brigittenau bei Wien standrechtlich erschossen.

An diese Tradition des Schillerspaziergangs wollte man nun 2016 wieder angeknüpfen. Die Schaubühne Lindenfels rief im Geiste Robert Blums und des Leipziger Vormärz auf zum „Ersten Leipziger Schiller-Spaziergang! Oder: Die Kunst des Demonstrierens“.

Am 21. Mai 2016 im Anschluss an das Schillerkolloquium fanden sich ca. 100 Leute zusammen, jung bis alt, und folgten der Fahrradrikscha, auf der der wieder auferstandene Robert Blum thronte.
Zunächst hatte dieser vom Balkon des Alten Rathauses am Leipziger Markt die Blum-Rede von 1841 vor einem staunenden Publikum von 2016 gehalten. Danach bestieg er die erwähnte Rikscha. Eskortiert von Polizei, die einmal froh war, einen freundlich-friedlichen Zug von Schillerfreunden begleiten zu können statt das Abendland verteidigende Pegida-Anhängern gegen schwarz Vermummte verteidigen zu müssen. Die Schiller-Spaziergänger, bewaffnet mit bunten Schirmen, folgten dem Polizeiwagen.

Unser Zug ging vom Marktplatz aus am Konsumtempel des Goerdeler Rings am Richard-Wagner-Platz vorbei und bog in die Pfaffendorfer Straße ein. Am Zoo entlang liefen wir zur Kirche am Nordplatz, wo der Posaunenchor der Gemeinde den Zug mit der „Hymne an die Freude“ empfing. Eine Gruppe junger Spaziergänger posierte mit ihren bunten Schirmen auf dem Rasen vor der Kirche.

Dann folgten wir den Straßenbahnschienen entlang der Gohliser Straße, vorbei an der Friedenskirche, wo gerade die Übergabe dieser Kirche an die Jugend gefeiert wurde. Von dort winkte man uns freundlich zu. Unterwegs wurde unser Zug aus den vorbeiratternden Straßenbahnen angestaunt. Unserem fröhlichen Winken gab man ebenso fröhlich Antwort. Aus Geschäften kamen Verkäuferinnen und Kunden, um den Zug zu bestaunen.

Vor der Friedenskirche bogen wir an der Alten Apotheke links ab in die Menckestraße, also in das alte Gohliser Dorfzentrume. Vorbei lief der Zug an prächtigen Jugendstil- und Historismus-Bürgerhäusern zum kleinen bescheidenen Schillerhäuschen aus dem 18. Jahrhundert.

Hier hielt unser Robert Blum den zweiten Teil seiner Rede von 1841, im Anschluss erklang das „Lied an die Freude“, unterstützt durch einen Trompeter des Leipziger Theaters. Die erste Strophe war den meisten noch geläufig, weiterer Gesang wurde einen Blick auf den Text der vorsorglich verteilten Blätter ermöglicht, so dass das Lied an die Freude doch recht überzeugend klang. Anschließend traf man sich bei Wein und Brezeln im Schillergärtchen, wo Walderdbeeren und Rosen blühten, und auch die Gohliser Schillertraube schon prächtig gewachsen war. Hier spielt häufig das Schiller-Gymnasium, hier tritt Herr Schiller höchstpersönlich auf (Ein ehemaliger Chemiestudent, inzwischen wohlbestallter Chemiker, verkörpert seit Jahren bei Veranstaltungen des Schillerhäuschens den jungen Schiller). Und hier endete unser Spaziergang, dem hoffentlich noch viele andere folgen werden in Erneuerung einer alten Schillertradition in Gohlis.

Leider folgten diesem ersten Spaziergang keine weiteren, vor allem die Corona-Einschränkungen 2020 verhinderte ein Wiederaufnehmen dieser Tradition und auch für den kommenden Mai sehen wir schwarz, aber noch ist nicht aller Tage Abend und das Jahr 2022 kann doch nur noch besser werden.
Also bis zum nächsten Schiller-Spaziergang im Jahre 2022!