von Ursula Hein

Wär hätte das gedacht 2005 und 2009 bei der Eröffnung der Ausstellung zum 250. Geburts- und zum 200. Todestag Friedrich Schillers unter der Schirmherrschaft der Schulleitung und in Anwesenheit zahlreicher und nicht nur germanistischer Kollegen, dass wir 2014, also nur fünf Jahre später, nach Leipzig aufbrechen und in der Nachbarschaft des Schillerhäuschens unser neues (Rentner-)Domizil ansteuern würden.

Kehren wir wieder ins Jahr 2014 zurück. Die ganzen schönen Exponate werden in Kisten verstaut, und nach Leipzig gebracht in unser neues Domizil, in direkter Nachbarschaft zu Schiller. Bei der Besichtigung der Wohnung war uns entgangen, dass in direkter Nachbarschaft im Schillergässchen vor über 200 Jahren ein berühmter Dichter gelebt hatte
Erst bei einem Spaziergang sahen wir, dass es nicht nur das Schillergässchen zwischen Berggarten- und Menckestraße gibt, sondern dass sich zwischen gründerzeitlicher und moderner Bebauung ein kleines weißes Häuschen hinter einem klassizistischen Portal verbirgt und mit einer goldenen Tafel auf das Lied an die Freude erinnert, dass Schiller hier für die fröhliche Freundesrunde gedichtet hat.

Ab Mai 1785 verbrachte Schiller wenige Monate in seiner kleinen Dachstube, gemeinsam mit seinem späteren Verleger Georg Joachim Göschen. Überstürzt war der junge Dichter Ende April aus Mannheim abgereist. Drückende Sorgen hatten ihn zur überstürzten Abreise aus Mannheim gezwungen, wo er doch zuvor große Triumphe mit seinen „Räuber“ gefeiert hatte.
Seine Anstellung als Theaterdichter wurde 1794 nicht verlängert. Der äußerst freundliche Vorschlag Freiherrn von Dahlbergs, es doch lieber mit dem Brotberuf eines Arztes zu versuchen als mit der Berufung zum Theaterdichter, hatten ihn ebenso wie erotische Verwerfungen – Charlotte von Kalb zog ihn in ihren Bann – bewogen, die Einladung seiner fernen Leipziger Verehrer Körner, Huber und deren Verlobte Minna und Dora Stock. Das Mannheimer Theater war dem jungen Dichter nicht mehr freundlich gesonnen. Und wie hatte man ihn am 13. Januar 1782 noch frenetisch gefeiert, aber 1794 bekannte er Körner in einem Brief: „Menschen, Verhältniße, Erdreich und Himmel sind mir zuwider. Ich habe keine Seele hier, keine einzige, die die Leere meines Herzens füllte, keine Freundin, keinen Freund…“

Auch seine Gläubiger bedrängten ihn, sie wollten Geld sehen. Und hier half ihm Familie Hölzel, seine Wirtsleute, aus seiner Verlegenheit. Die Mannheimer haben Frau Anna Hölzel im Schlossgarten ein Denkmal gesetzt, auch Schiller hat sich seinen Gönnern aus dem einfachen Volke gegenüber als dankbar erwiesen.

Der Weg nach Leipzig wurde für Schiller recht mühsam. Auf schlechten Wegen brauchte der junge Dichter acht Tage, bis er „zerschlagen und zerstört“ im Leipziger „Gasthaus zum Blauen Engel“ anlangte. Unsere Fahrt dauerte 2014 auf bequemen Autobahnen nur wenige Stunden, während die Möbelwagen mit ihren vielen Bücher- und Bilderkisten langsamer unterwegs waren und die kostbaren Exponate beider Ausstellungen mit sich führten.

Während Schiller Mitte Mai von der Innenstadt nach Gohlis ins kleine Bauernhäuschen zog, aus dessen Giebelfenster er bis zum Gohliser Rokokoschlösschen schauen konnte, das heute wieder im alten Glanz erstrahlt, brauchten wir dann doch einige Wochen, bis neben den anderen Büchern „der Schiller“ im Wandschrank geborgen war.

Nach seinen morgendlichen Wanderungen im Rosenthal arbeitete der junge Dichter unter der alten Linde oder in einer Holunderlaube, uns ist das tägliche Mittagessen in der “Wasserschenke“ nicht mehr vergönnt, hier steht neben Bauten der Gründerzeit und des Jugendstil noch das „Schillerschlösschen“, eine noch zur DDR-Zeiten angesagte „Destination“, wie das ja auf Neu-Deutsch heißt. Der direkte Blick ins Rosental, in dem der Dichter, angetan mit Schlafrock und begleitet von einem Gals und wassertragenden kleinen Jungen, seinen täglichen Morgenspaziergang unternahm, ist heute nicht mehr möglich

Die Geschichte des Schillerhäusschens nun zeigte in der Folge auch die Zeitläufte mit der unterschiedlichen Wertschätzung Schillers. Im zeitlichen Umkreis der Völkerschlacht war das Haus dem Gedächtnis der Bevölkerung völlig entschwunden. Erst 1841 machte sich der Schillerverehrer und spätere Revolutionär Robert Blum auf die Suche. Mehrere Bauern reklamierten ihr jeweiliges Gebäude als Schillers Aufenthaltsort. Erst die Bestellung eines Gerichtes mit dem Schwur auf die Bibel konnte den rechten Ort ermitteln. Inzwischen ist es das älteste Häuschen in Gohlis, mehrfach war es dem Verfall preisgegeben und vom Abriss bedroht. Bei der Generalsanierung 1998 fand man dann unter dem weißen Putz die „blauen Bänder“ und die Reste eines hellblauen Sockeln, von deren Existenz schon Zeitzeugen gesprochen hatten. Aber nun zurück zum Jahre 1841, Robert Blum gründet mit Gleichgesinnten den „Verein der Freunde des Schillerhäuschens“. Allerdings konnte er nicht mehr am ersten Schillerspaziergang von Leipzig nach Gohlis teilnehmen, der zur Hundertjahrfeier von Schillers Geburtstag 1859 stattfand.n1848 hatte man ihn, den Abgeordneten der Paulskirche und Barrikadenkämpfer in Wien, standrechtlich wider alles Völkerrecht auf der Brigittenau erschossen.

Dieser Schillerspaziergang ist nun Anno Domini 2016 wieder erstanden. Die Schaubühne Lindenfels rief zum „Ersten Leipziger Schiller-Spaziergang! Oder: Die Kunst des Demonstrierens“ im Geiste Robert Blums und des Leipziger Vormärz auf.

Anschließend traf man sich bei Wein und Brezeln im Schillergärtchen, wo die Walderdbeeren und die Rosen blühten, und auch die Schillerrebe schon prächtig gewachsen war. Hier spielt das Schiller-Gymnasium, hier tritt Herr Schiller höchstpersönlich auf (ein jetzt schon ehemaliger Chemiestudent[!] verkörpert seit Jahren den jungen Schiller)

Der kleine Bericht begann mit den Ausstellungen auf der Schönau und endet mit dem Schillerspaziergang. Was bleibt noch zu sagen? Die Gohliser wissen es ja selbst: Aber für allen Neugohliser und Gohliser Gäste: Ein Besuch im Schillerhaus, von dort über die Menckestraße, den alten Gohliser Ortskern vorbei an ehemaligen Dorfanger, der heute von unwissenden Autofahrerin als Parkplatz missbraucht wird, zum Gohliser Schlößchen, einem Kleinod bürgerlicher Rokoko Baukunst. Vorher sieht man aber rechter Hand im Schlösschenweg noch den Mediencampus Villa Ida. Und vom Schlösschen aus findet man am Ende der Turmgutstraße das russische Generalkonsulat, wohl abgeschirmt und gesichert. Über den Poetenweg geht es linker Hand zur Gosenschänke, dort kann man das viel gerühmte Gosenbier versuchen. Es ist für Freme, wie der Mannheimer sagt, sehr gewöhnungsbedürftig. Nun ist man wieder auf der Menckestraße, die zur Friedenskirche führt, der ersten Kirche, die sich das Dorf Gohlis 1873 erbaute. Hier lassen wir unseren ersten Rundgang enden, aber es gibt noch vieles zu sehen und wir kommen ja auch noch einmal wieder in diesen schönen Stadtteil von Leipzig